Der „ARD-faktenfinder“ und die RKI-Protokolle: relativieren, manipulieren und ablenken
Wieso der "faktenfinder" nur der Politik hilft

Journalistin Aya Velazquez veröffentlichte gestern (23. Juli 2024) die RKI-Protokolle ungeschwärzt, nachdem sie ihr von einem Whistleblower zugespielt wurden. Die Dokumente sind politischer Sprengstoff. Bereits einige Stunden später kam Pascal Siggelkow mit seinem „faktenfinder“ der Politik zur Hilfe.
Die Protokolle des RKI: Was ist passiert?
Bereits im April wurden Teile dieser RKI-Sitzungsprotokolle für den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 veröffentlicht, nachdem Paul Schreyer diese freigeklagt hatte. Doch sie waren zu großen Teilen geschwärzt. Nachdem dies eine landesweite Empörung auslöste, versprach Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine rasche Entschwärzung der Dokumente. Am 30. Mai 2024 veröffentlichte das Robert-Koch-Institut diese dann auf seiner Webseite.
Die Schwärzungen waren auch da nicht ganz verschwunden. „In der nun veröffentlichten Fassung sind nur noch personenbezogene Daten nach § 5 IFG sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter nach § 6 IFG geschwärzt.“, führte das RKI in seiner Pressemitteilung vom 30. Mai 2024 aus. Außerdem: „Die hier zur Verfügung gestellten Protokolle betreffen den Zeitraum Januar 2020 bis April 2021. Die verbleibenden Protokolle bis zum Ende der Sitzungen im Juli 2023 sollen nach entsprechender Prüfung und Drittbeteiligung so schnell wie möglich durch das RKI veröffentlicht werden.“
Dem kam Aya Velazquez nun zuvor. Gestern veröffentlichte sie auf X die gesamten Protokolle und gab um 10 Uhr eine Pressekonferenz. Mit dabei waren Professor Stefan Homburg und Bastian Barucker.

Der Tweet der Journalistin ging viral (3 Millionen Aufrufe – Stand: 24. Juni 2024 9.19 Uhr) und schnell trendeten „RKIProtokolle“ und „RKIFiles“ auf X.
Der „ARD-faktenfinder“ schreitet ein
Bereits wenige Stunden später, nämlich um 18.09 Uhr, wurde dann auf der Seite der Tagesschau ein „faktenfinder“ mit dem Titel „Neue Aufregung um RKI-Protokolle“ veröffentlicht. Dieser Text dreht sich vor allem um einen Part der RKI-Protokolle, der bereits kurz nach Veröffentlichung eine Welle der Empörung ausgelöst hat.
Dabei handelt es sich um folgenden Auszug vom 5. November 2021:
In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?
Von Seiten der BZGA gibt keine Entwarnung. AHA+L Regeln werden wieder stärker in den Fokus genommen.
Dient als Appell an alle, die nicht geimpft sind, sich impfen zu lassen.
Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.
Dieser Teil des Protokolls belegt also, dass es sich nicht um eine „Pandemie der Ungeimpften” handelte, dass ein Minister ständig etwas gesagt hat, das fachlich nicht korrekt war. Und das RKI traute sich nicht, das zu korrigieren. Vielmehr wurde es als „Appell“ an die Ungeimpften betrachtet, sich impfen zu lassen.
Der „faktenfinder“ sieht das nicht sehr kritisch. Im Text kommt der Virologe Martin Stürmer zu Wort. Dieser sagt: "Die Formulierung 'Pandemie der Ungeimpften' ist etwas überspitzt, weil sie suggeriert, dass sich nur Ungeimpfte anstecken."
Interessant ist hierbei schon, wer als Experte gefragt wurde. Martin Stürmer ist keinesfalls ein Virologe, der staatliche Maßnahmen kritisch sah. Auch einer Aufarbeitung der Coronazeit steht er skeptisch gegenüber, wie er gerade am 19. Juli 2024 der Tagesschau sagte. Seiner Meinung nach „gäbe es aus der Pandemie einiges zu lernen - aber nicht nur für Politiker und Wissenschaftler.“
Im Mai 2021 sprach sich Stürmer gegen Lockerungen aus und Ende 2023 sagte er, dass Masken gegen alle Erkältungsviren helfen.
Es handelt sich hierbei also keinesfalls um einen Experten, bei dem man davon ausgehen kann, dass er sich kritisch mit dem RKI-Leak und den Folgen befasst.
Weiter im Text wird relativiert. Die Ungeimpften steckten sich am meisten an und machten auch den Großteil auf den Intensivstationen aus, heißt es in dem Text.
Gegen Ende wird darauf hingewiesen, dass Virologen, wie Hendrick Streeck und Christian Drosten, die Bezeichnung „Pandemie der Ungeimpften“ für falsch hielten. Das ist interessant, denn diese Tatsache lässt die Politik noch viel schlechter aussehen.
Das Fazit des „faktenfinders“ ist dann eine Einschätzung von Martin Stürmer, dass „Pandemie der Ungeimpften“ nicht frei erfunden gewesen sei, die Formulierung war lediglich „unglücklich“.
Tragweite „Pandemie der Ungeimpften“
Relativierungen wie „etwas überspitzt“ und „unglücklich formuliert“ eignen sich nicht, um die bewusste polit-mediale Täuschung adäquat zu beschreiben. Wir sprechen hier von Millionen Ungeimpften, die tagtäglich beschimpft und ausgegrenzt wurden, angefeuert von Politik und Medien. Offensichtlich wurde das auch ganz bewusst gemacht, um Ungeimpfte zur Impfung zu “motivieren“. Die Spaltung der Gesellschaft, die bis heute deutlich spürbar ist, wurde billigend in Kauf genommen.
Ist das noch Journalismus?
Die Frage beantworte ich mit Nein. Der Journalismus hat primär die Aufgabe, den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Hier geht es um die erhebliche Einschränkung der Grundrechte und die durch Politik und bereitwillige Medien verursachte Ausgrenzung völlig unschuldiger Menschen, die landesweit zu Schuldzuweisungen und Hetze gegen Ungeimpfte geführt hat. Der „faktenfinder“ betrachtet das nicht kritisch, sondern er relativiert und lenkt ab. Er nimmt die Politik und die Behörden in Schutz. Mag sein, dass Siggelkow Journalist ist. Der Text ist aus meiner Sicht jedoch keine journalistische Arbeit, sondern eine als „Faktencheck“ etikettierte Pressemitteilung einer Politik, die längst einiges zu erklären hat.
Aufdeckung erfolgt nur durch alternative Journalisten
Für das Freiklagen der RKI-Files ist Paul Schreyer von Multipolar verantwortlich. Die Veröffentlichung des Leaks hat die Gesellschaft Aya Velazquez zu verdanken. Leitmedien haben dazu nichts beigetragen. Offenbar haben diese kein großes Interesse an einer Aufklärung. Das verwundert nicht, angesichts der Tatsache, dass viele von ihnen keine rühmliche Rolle in der Coronazeit einnahmen und bereitwillig Aussagen veröffentlichten, die aus fachlicher Sicht schlicht nicht der Wahrheit entsprachen – wie die „Pandemie der Ungeimpften“, die es nie gab.
Empfehlung
Kritische Berichte zu den RKI-Protokollen (nicht abschließend):